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Ein Bild – deine Geschichte

April 11, 2021
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PANDERONA

Das dokumentarische, ehrenamtliche Foto-Projekt begleitet Menschen, die von der Pandemie besonders schwer getroffen sind, in ihrer aktuellen Lebensrealität. Zwischen Hoffnungslosigkeit, Existenzängsten, trotzigem Tatendrang und Optimismus- ich möchte die persönliche Situation des jeweils Portraitierten in ihrem gewohnten Arbeitsumfeld festhalten. Ergänzt durch eigene Worte der Protagonisten anhand eines Steckbriefs mit festgelegten, gleichen Fragen für alle, bekommt die Portraitreihe eine besondere Nahbarkeit und Authentizität. So möchte ich das Zeitgeschehen festhalten und ein Bewusstsein für die unzähligen Einzelschicksale ermöglichen, sie in den Fokus der gesellschaftlichen Wahrnehmung bringen. Vom Fitnessstudio über Künstlerkolleg*innen bis zum Einzelhändler, jeder, den die Pandemie trifft, ist willkommen sich fotografieren zu lassen (bis Ende April ’21). Alle Bilder und ihre jeweiligen, persönlichen Geschichten sollen dann – wenn möglich (Spenden und Fördermittel willkommen: paypal.me/supportalexgoebel) – in einem Fotobildband gedruckt und veröffentlicht werden. Den Bildband möchte ich dann im Zuge einer Ausstellung aller Fotografien in Freiburg (oder Umgebung) der Öffentlichkeit präsentieren.

 


Denis Motus

Singer-Songwriter / Gitarrist / Hochzeitssänger

Steckbrief

Name: Denis Motus

Beruf/Unternehmung: Singer-Songwriter / Gitarrist / Hochzeitssänger

Alter: 25 Jahre

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert?Im Jahr 2019 habe ich begonnen meine Musik der Öffentlichkeit zu zeigen. Niemals hätte ich damals gedacht, dass ich mit ihr Menschen berühren kann. Dennoch hatte ich im Jahr 2020 und bereits für 2021 einige Hochzeitsbuchungen, die dann leider aufgrund der Pandemie zu 90% verschoben bzw. abgesagt werden mussten. Auch die Veröffentlichung meiner ersten Single „Endlose Sicht“ wurde durch die Gesamtsituation beeinflusst. Sie verschob sich um fast ein halbes Jahr, da die beschlossenen Maßnahmen den Dreh des Musikvideos erschwert haben. Insgesamt hatte und hat man das Gefühl, dass alles, was man angeht langsamer vorangeht, mehr Planung bedarf oder erst gar nicht umsetzbar ist. Dieses Gefühl hemmt auf der einen Seite die eigene Kreativität und frustriert, auf der anderen Seite fordert es ein Umdenken und den Mut neue Wege zu gehen.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? Angst verspüre ich in Bezug auf die aktuelle Situation in Zusammenhang mit meiner Musik nicht. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass ich – anders als andere, die hier sicher anders fühlen – nicht um meine Existenz fürchten muss, da die Musik zwar ein wichtiger Teil meines Lebens, aber nicht mein (Haupt-)Beruf ist. Zum andern glaube ich, dass Künstler auch Überlebenskünstler sind, denen die Ideen auch in Krisenzeiten nicht so schnell ausgehen. Natürlich macht es mir Sorgen zu sehen, wie Musiker, Hochzeitsplaner, Video- und Fotografen u.v.m. ihrer Leidenschaft nur noch begrenzt nachgehen und ihre Leidenschaft kaum mehr mit anderen teilen können. Da ich bereits einige dieser Künstler zu meinen Freunden und Bekannten zähle, trifft mich das persönlich sehr. Dennoch ist es schön zu sehen, dass hier ein starker Zusammenhalt untereinander besteht und wie man sich gegenseitig zb durch gemeinsame Projekte unterstützt.

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Definitiv der bereits genannte Zusammenhalt! Wir Künstler sitzen alle gemeinsam in einem Boot und das egal aus welcher Branche wir kommen. Wir versuchen das Beste draus zu machen, in dem wir neue Wege suchen, unsere Kunst den Leuten zu zeigen. Beispielsweise durch Live-Sessions über Social Media, gemeinsame Projekte oder Abende in denen man sich gegenseitig interviewt oder promotet. Natürlich entsteht hierdurch kein finanzieller Ausgleich für alle abgesagten oder verschobenen Events, aber am Ende ist es allemal besser als daheim zu sitzen und Däumchen zu drehen.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Mit viel Hoffnung und positiven Gedanken. Ich nutze die Zeit ohne Auftritte um mich der Produktion meiner Musik zu widmen. In letzter Zeit schreibe ich vermehrt an Texten oder spiele neue Melodien ein und arbeite somit an meinen eigenen Liedern. Man ist natürlich auch im ständigen Austausch mit Anderen, um neue Ideen aufzunehmen und umzusetzen. Nach wie vor stehe ich in Kontakt mit Hochzeitspaaren, um den geplanten Auftritt auf deren Hochzeit weiterhin zu organisieren und realisieren (soweit möglich). Und am Schluss hoffe ich einfach, dass wir diese Ausnahmesituation schnellstmöglich gemeinsam überstehen und unserer Leidenschaft wieder ohne Eingrenzung nachgehen können.


PoleMotion 

Tanzschule PoleMotion 

Steckbrief

Namen: Kadda, Melly und Alisa 

Beruf/Unternehmung: Tanzschule PoleMotion 

Alter: alle um die 30 Jahre 

Wie hat die Pandemie und der Lockdown euer (Berufs-) Leben verändert? Sehr! Als wir vor 4 Jahren das Studio eröffneten, haben wir unsere Leidenschaft zum ( Neben-) Beruf gemacht.   Wir haben dabei nicht nur viel Geld sondern auch Lebenszeit investiert. Nach der Arbeit in unseren Hauptjobs haben wir etliche Stunden und Abende im Studio unterrichtet. Es war anstrengend und schweißtreibend. Aber durch die glücklichen Schülerinnen, das herzliche Feedback und den schönen Begegnungen, haben wir trotz der Anstrengung, die schönsten Stunden und Momente in unserem Polestudio erlebt. 

Wovor habt ihr Angst, was macht euch Sorgen? Ängste, Sorgen aber vor allem Frust und Enttäuschung begleiten uns seit einem Jahr. Wir bekommen keinerlei finanzielle Hilfe vom Staat. Warum? Weil wir das Studio „nur“ nebenberuflich betreiben. Es ist für uns alleine allerdings unmöglich mit unseren Hauptjobs die Fixkosten vom Studio wie z.B.: Miete und Versicherungen zutragen. Die Angst ist also groß und die damit verbundenen Sorgen wachsen mit jedem weiteren Monat im Lockdown und den damit steigenden Mietschulden. 


Was hilft euch, gibt euch, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Zum einen sind das unsere Schülerinnen, denen der Erhalt des Studios so wichtig ist, dass Einige freiwillig ihre Beiträge an die Tanzschule überwiesen haben. Alleine für diese Mädels wollen wir durchhalten.  Eine weitere ergreifende Erfahrung haben wir mit unseren Trainerinnen machen dürfen. Durch ihre freiwillige Unterstützung und Hilfe ist es uns seit einem Monat möglich online Kurse anzubieten. So ein Zusammenhalt gibt Kraft und Hoffnung. 

Wie schaut ihr in die (nahe) Zukunft? Perspektive ist genau das, was wir uns von der Politik wünschen würden. 


Claudia Mundi

Sängerin, Gesangspädagogin, Chorleiterin

Steckbrief

Name: Claudia Mundi

Beruf: freischaffende Sängerin, Gesangspädagogin, Chorleiterin

Alter: 38

Wie hat die Pandemie und der Lockdown Dein (Berufs-) Leben verändert? Die offensichtlichen Folgen: – seit mittlerweile über einem Jahr stand ich nicht mehr im Theater auf der Bühne – es konnten im letzten Jahr keine Konzerte stattfinden – Gesangsunterricht in Präsenz war nahezu durchgehend unmöglich – Online wollten die wenigsten meiner Schüler arbeiten – ich habe 2 von ehemals 3 Chören verloren. Das Leben als KünstlerIn ist ohnehin nicht möglich ohne eine große Portion Idealismus –eine berufliche Sicherheit ist selten gegeben. Nun aber fällt die berufliche Grundlage und das bisschen in den letzten Jahren erarbeitete Sicherheit (Ensemble-Mitglied im Theater, fester Schülerstamm, Chöre) auch noch nahezu komplett weg. Mein ehemaliger Studentenjob ist nun mein „sicherer“ Halbtagsjob zum wirtschaftlichen Überleben – Empfangssekretärin in einem Büro

Wovor hast Du Angst, was macht Dir Sorgen? Ich frage mich aktuell oft, ob es in der Kunst-und Kulturszene jemals wieder so werden wird, wie vor der Pandemie. Ob es wieder ein unbeschwertes „Normal“ geben wird. Große Sorgen macht mir der Stand von Kultur v.a. in der Politik aber durchaus auch in Teilen der Gesellschaft. Am Anfang wurde viel über uns geredet, doch mit der Zeit wurden wir immer mehr von anderen, scheinbar „wichtigeren“ Bereichen, an den Rand gedrängt, haben an Aufmerksamkeit verloren und sind so in den letzten Monaten, gefühlt, in Vergessenheit geraten. Ich habe Angst davor, dass mir (und vielen anderen auch) der Mut fehlen wird, mich nach der Pandemie wieder vollständig auf den künstlerischen Weg einzulassen und nicht doch den „sichereren“ Weg zu gehen und einen sog. „normalen“ Arbeitsplatz zu suchen. Außerdem macht mir die Zukunft von kleinen und mittleren privaten Bühnen und Veranstaltungsorten Sorge. Wird es wieder möglich sein als selbstständiger, freischaffender Künstler zu leben, oder wird es nun endgültig nur noch Kunst und Kultur in staatlich geförderten Einrichtungen geben?

Was hilft Dir, gibt Dir Kraft/ Halt in der aktuellen Situation? Ich durfte im letzten Jahr trotz des erhöhten Aufmerksamkeitsdefizits der Öffentlichkeit sehr viel Solidarität und Empathie erfahren. Sowohl von Freunden und in der Familie als auch von Kollegen, meinen ChorsängerInnen und auch völlig Fremden. Die Menschen sind interessiert an meiner Situation, hören genau zu, wollen das Problemverstehen und helfen. Auch finanziell kam Hilfe aus unerwarteten Richtungen – dafür bin ich unendlich dankbar, da gerade anfangs, als ich mich neu sortieren musste, ein Großteil meiner monatlichen Einnahmen ersatzlos weggebrochen ist. Die Menschen merken, dass ihnen nicht nur Einkaufen und Gastronomie fehlen, sondern dass sie, mindestens gleichwertig, die Kultur für ihre Psyche und ihre Seele brauchen. Ganz persönlich habe ich durch sehr viel mehr Freizeit auch wieder Zeit und Muße zum Musizieren gefunden und entdecke die Musik gerade wieder neu – nicht nur als Beruf, sondern auch als Ausgleich.

Wie schaust Du in die (nahe) Zukunft? Ich hoffe natürlich, dass diese Krise bald überwunden ist und wir wieder unsere Normalität zurückbekommen. Sehr erfreut bin ich, dass ich jetzt schon einige Anfragen für Gesangsstunden für die Zeit nach der Krise habe. Oft höre ich: „ich wollte schon immer mal singen“ oder „früher habe ich im Chor gesungen, jetzt möchte ich wieder anfangen zu singen“. Die Menschen haben gemerkt was ihnen fehlt und dass sie Kunst und Kultur für ihre geistige und psychische Gesundheit brauchen. Ich würde mir wünschen, dass in der ganzen Gesellschaft ein Umdenken einsetzt. Darüber was wichtig ist im Leben, dass wichtige Berufe wie Pflegekräfte bisher schmählich vernachlässigt wurden und unterbezahlt sind. Und dass wir merken, dass wir auf Dauer nicht ohne Kunst, Musik, Theater, Konzerte, auch schöne Feste und Feiern und Kultur im Allgemeinen leben können. Ich bleibe also optimistisch und sehe positiv, mit Idealismus und Hoffnung in meine persönliche und die gesellschaftliche Zukunft.


Natalia Herrera

Schauspielerin, Yogalehrerin, Stimm- und Rhetoriktrainerin

Steckbrief

Name: Natalia Herrera

Beruf: freischaffende Schauspielerin & Sprecherin, Yogalehrerin und seit kurzem Stimmtrainerin und Kommunikations- & Rhetoriktrainerin

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? In der Kunst- und Kulturwelt tätig zu sein ist wunderschön, kann aber auch verdammt hart sein. Der erste Lockdown bedeutete zunächst eine plötzliche, radikale Entschleunigung. Die Ruhe, die viele gemeinsame Familienzeit, die Freude und neue Achtsamkeit, die daraus entstanden, waren natürlich unglaublich schön und bereichernd, doch die existenziellen, finanziellen Sorgen drängten sich immer mehr ins Bewusstsein. Was macht diese Krise mit der ganzen Branche, wie wird sich die Kulturlandschaft entwickeln? Welche Perspektiven gibt es noch? Werde ich mir einen anderen Job suchen müssen usw.? Ratter, Ratter, Gedankenkarusell…. Und die Sehnsucht danach wieder auf einer Bühne stehen zu können, mit den lieben Kolleg*innen vor einem Live Publikum zu spielen, die wurde sowieso immer größer, dringlicher, schmerzlicher…
Aber: „In jedem Unglück ist auch ein Schatz verborgen.“ Also suchte ich nach Möglichkeiten mich beruflich weiter zu bilden und meine vorhandenen Expertisen durch mittlerweile fast 20 Jahre Theater in Stimme, Sprechen, Präsenz methodisch & didaktisch zu erweitern. Letztlich habe ich die Pandemie sehr intensiv mit Fortbildungen zur Stimmtrainerin sowie zur Kommunikations- und Rhetoriktrainerin genutzt. Alles irgendwann dann nur noch per Zoom Meetings und Webinars. Jetzt versuche mir ein zweites Standbein im Coaching aufzubauen. Und ich hoffe nach wie vor inständig, dass die Theater bald wieder öffnen können und ich wieder auf der Bühne stehen darf.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? Nicht mehr arbeiten zu können, nicht mehr arbeiten zu DÜRFEN, ist seit einem Jahr die mittlerweile ganz normale Realität für unzählige freischaffende Künstler*innen. Die schon vor der Pandemie oftmals prekären Lebenssituationen haben sich noch weiter verschlechtert. Es ist eine bittere Erkenntnis, dass die wahrhaftige Wertschätzung von Kunst und Kultur in dieser Gesellschaft leider oftmals nicht über politische Lippenbekenntnisse hinausgeht. Mir macht es große Sorgen, dass das so hingenommen wird, und dass unsere bisher sehr vielfältige Kultur- und Kunstlandschaft sich nur sehr langsam von der Krise erholen wird. Ich befürchte, dass viele Künstler*innen diesen kulturellen Aderlass nicht überstehen werden.

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation?
Die Liebe. Familie. Freund*innen. Spaziergänge im Wald. Yoga.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Kommt auf die Tagesform an. Aber im Großen und Ganzen positiv und hoffnungsvoll. Im Herzen bin und bleibe ich Optimistin.


Punchline

Filmemacher

Steckbrief

Namen: Pirmin Styrnol und Maik Styrnol

Beruf/Unternehmung: Filmemacher/punchline studio

Alter: 31 (Pirmin) und 29 (Maik)

Wie hat die Pandemie und der Lockdown euer (Berufs-) Leben verändert? Ehrlich gesagt haben wir im Moment fast mehr zutun als vor Corona. Aber wir mussten hart dafür kämpfen. Unsere Firma punchline studio hat sich in den Jahren vor Corona stark auf Kunst- und Konzertfilme sowie auf Dokus spezialisiert. Diese Branche ist wegen der Pandemie und den Schutzmaßnahmen leider komplett ins Straucheln geraten. Unsere größte Eigenproduktion, den Dokumentarfilm “Heart and Soul”, mussten wir wegen Corona monatelang komplett auf Eis legen. Verschiedene Drehs waren einfach nicht durchführbar. Und Konzerte zum Filmen gab’s natürlich erstmal auch keine. Wir haben daher aus der Not eine Tugend gemacht und gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Verein Lahrer Rockwerkstatt die Konzertfilm-Initiativen “WeLive” und “WeLive on Tour” (www.welive-festival.com) ins Leben gerufen. Dafür produzieren wir große Konzertfilme mit verschiedensten hochtalentierten Künstlern – mit zehn bis zwölf Kameras pro Film und vielen Wochen Postproduktion inklusive Schnitt, Mixing, Mastering und Grading. Gefilmt wird in verschiedenen menschenleeren Locations in ganz Baden-Württemberg. Wir machen also keine Live-Streams, sondern richtige Filmproduktionen in einer Größenordnung, wie sie sich regionale Künstler eigentlich nicht leisten können. Durch unser Finanzierungskonzept über Sponsoren und Stiftungen können wir diese Produktionen für die Musiker aber völlig kostenlos stemmen und die Veröffentlichung der Filme zusätzlich PR-technisch begleiten. So sollen die Filme einerseits heute für Aufmerksamkeit sorgen, aber andererseits auch nach Corona noch eine Startrampe für die Musiker darstellen. Bisher wurden wir eigentlich von den Musikern für unsere Arbeit bezahlt, jetzt haben wir den Spieß einfach umgedreht, kümmern uns auch zusätzlich selbst um die Finanzierung und bezahlen die Musiker für ihren Auftritt in unserem Film. Alles in allem machen wir aber während Corona fast dasselbe wie davor: Wir filmen Musiker beim Ausüben ihrer Kunst. Da sind wir eigentlich echt privilegiert, denn wir dürfen tatsächlich schon seit eine Jahr wieder Live-Musik genießen!

Wovor habt ihr Angst, was macht euch Sorgen? Die Kunstschaffenden sind in den vergangenen Jahrzehnten leider irgendwie zu Bittstellern mutiert. In Deutschland gibt es dieses Phänomen, dass man sich manchmal fast dafür entschuldigen muss, wenn einem der eigene Beruf Freude bereitet. “Der macht das doch gern” darf kein Synonym für “der macht das umsonst” sein. Auch wer sein Hobby zum Beruf macht, muss von seinem Beruf leben können. Dieses Problem gab es schon lange vor Corona, aber die Pandemie beschleunigt diese Entwicklung leider wie im Zeitraffer. Wer vorher schon wenig Rücklagen hatte, der läuft jetzt halt gnadenlos ins Minus. Und irgendwann muss man dann aufgeben. Wir haben uns in den letzten Monaten durch viel Eigeninitiative und noch mehr Verzicht eine Nische erarbeitet, in der wir gerade viel zutun haben. Aber wir merken auch, dass die Kulturbranche ausblutet. Und ohne Geld kann man das Niveau nicht halten. Das gilt für unsere Produktionen genauso wie für die auftretenden Musiker oder die Kollegen an der Technik. Am Ende ist Qualität immer auch eine Frage des Budgets. Und das schwindet gerade überall. Die Politik ist zwar vielerorts redlich bemüht, aber bemühen reicht halt leider nicht. Wer eine florierende Kulturlandschaft haben will, der muss sie unterstützen, muss Möglichkeiten bieten. Unsere Angst ist, dass sowohl Politiker als auch Unternehmer die Relevanz von kulturellen Angeboten falsch einschätzen. Kultur ist einer der wichtigsten Standortfaktoren für Städte und Gemeinden. Ohne Kultur gibt’s nämlich keine florierende Innenstadt, ohne Kultur zieht es die Jugend weg und Fachkräfte bleiben fern. Kultur ist ja nicht nur Theater und Oper – Kultur ist auch der Liedermacher in der Eckkneipe, das Rockkonzert im Stadtpark oder das Open-Air-Kino am See. All diese Dinge gilt es jetzt zu schützen und zu erhalten, ansonsten wachen wir irgendwann nach der Pandemie auf und das alles ist nicht mehr da.

Was hilft euch, gibt euch, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Die Arbeit an unseren WeLive-Filmen macht unfassbar viel Spaß und gibt uns auch einfach viel zurück. Das Team ist großartig, wir erleben Konzerte und treffen Menschen, die wir möglicherweise ohne die Pandemie nie kennengelernt hätten. Wir versuchen einfach, das Beste aus der Situation zu machen. Es ist schön zu sehen, dass man etwas bewirken kann – trotz aller Widrigkeiten.

Wie schaut ihr in die (nahe) Zukunft? Die Nahe Zukunft ist bei uns sehr musikalisch. Zuerst mal freuen wir uns sehr auf die Arbeit an unseren WeLive-Filmen. Mit der Freiburger Funkband FATCAT und der Sängerin Hannah Wilhelm konnten wir eine großartige Show in der Sternenberghalle in Friesenheim produzieren. Von diesen Musikern sind wir wirklich nachhaltig beeindruckt. Und so langsam rücken ja auch schon die Online-Premieren unserer WeLive-Filme näher. Am 18. April feiern wir die Premiere des Konzertfilms mit der Schweizer Prog-Rock-Band Dead Venus, die uns im Schlachthof in Lahr echt aus den Socken gehauen haben. Im Mai veröffentlichen wir die WeLive-Episode mit der Matt Woosey Band, einer absolut fantastischen Blues-Formation. Außerdem drehen wir – wenn Corona es zulässt – Anfang Mai eine WeLiv- on-Tour Episode mit Opernsängern, Streichquartett, Konzertpianistin, Elektro-DJ und Jazz-Pianist. Das wird eine große Herausforderung. Zudem planen wir im Moment für einen Drehtag mit Bryan Adams im Stuttgarter Theaterhaus. Es kommt also so einiges auf uns zu. Und mit etwas Glück ist der ganze Corona-Wahnsinn ja auch irgendwann vorbei. Wir freuen uns sehr darauf, unsere neuen Filme auch irgendwann mal vor Publikum in einem Kinosaal vorführen zu dürfen.


Mirjam

Stepptänzerin

Steckbrief

Name: Mirjam Barnicol

Beruf/Unternehmung: Stepptanzlehrerin/ Die Steptaenzerei

Alter: 54

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? Meine Steppkurse in der Tanzschule sind geschlossen und ich biete für alle Levels Zoomtraining an.(www.diesteptaenzerei.de) Viele nehmen das Angebot an, andere wollen erst wieder in die Präsenzkurse kommen, manche haben gekündigt. Ich unterrichte von zuhause und die Leute nehmen zuhause teil. Entweder legen sie ein dünnes Brett auf den Boden und tanzen mit Steppschuhen oder sie steppen Barfuß, in Socken oder Turnschuhen. Meine Kurse außerhalb der Tanzschule fallen komplett weg und damit hat sich mein Einkommen fast um die Hälfte reduziert. Als Nebenjob bin ich Fachwartin für Obst und Garten. Ich mache Obstbaum- und Rosenschnitt in Gärten. Außerdem biete ich jetzt neu „Easy Joggen für Joggingmuffel“ an. Es ist ein Lauf-Coaching, in dem Joggingmuffel lernen können, ihren eigenen, ganz entspannten Joggingstil zu finden.

Wovor hast du Angst,was macht dir Sorgen? Ich brauche gerade einen Teil meiner Altersversicherung auf und habe Bedenken ob ich das wieder zusammen kriege.

Was hilft dir, gibt dir Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Was mir sehr hilft sind meine Familie und meine Freunde und unser gutes Zusammenleben. Und auch mein Vertrauen, dass sich immer ein Weg finden wird. Ich bilde mich weiter und denke, dass die Situation von uns verlangt, dass wir kreative Lösungen finden. So wie Du es auch tust lieber Alexandre. Für mich ist es auch ein Vorteil, dass ich hinterfragen muss ob ich alles so weiter machen will wie ich es bisher gemacht habe. Neue Ideen sind gefragt und da bin ich dran.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Ich bin aufgeregt und gespannt, da ich eine Weiterbildung im persönlichen Bereich mache. Ich bin zuversichtlich. Mit den guten Menschen um mich wird sich immer ein Weg finden.


Matthias

Kunstmaler/Restaurator

Steckbrief

Name: Matthias Hickel-Lopez

Beruf/Unternehmung:  MHLopez ART, Kunstmaler & Gemälderestaurator

Alter:  73

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert?  Mein gesamtes Berufsleben wurde durch mangelnde Kontakte, spontane Kontakt, Angst vor Kontakt, keine Ausstellungen, keine Events, keine spontanen Aktionen sehr reduziert.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen?  Sorgen mental und materiell durch oben erwähntes. Sorgen, dass die Präsenz meiner Kunst unter dem Mangel an Kontakten leidet.

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation?  In der ganzen Zeit dieser speziellen Pandemie hat mir die Arbeit in meiner Kunst Kraft gegeben:  Die Unterstützung meiner Freunde und Familie haben mir ebenso Kraft gegeben. Gespräche und jede Art von Zuwendung und Besinnung auf mein Mensch-Sein.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Ich schaue hoffnungsvoll in die Zukunft. Ich sehne mich nach Nähe, nach mehr Gesprächen und Wiederaufnahme der Tätigkeiten wie Ausstellungen und Atelierevents, spontane Treffen von Menschen ohne Begrenzung. Freude an neuen Begegnungen, Reisen, neues Verlieben, und Freude an dieser schönen Gegend, im Augenblick mit diesen verliebten Blüten in den Morgennebel.


Living History

Kostümierte Stadtführungen

Steckbrief

Name: Lukas Müller      

Beruf/Unternehmung: Schauspieler und künstlerischer Leiter bei Freiburg Living History

Alter: 35 Jahre

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? Wir hatten zu Halloween die letzte große Vorstellung mit Figuren aus der Freiburger Stadtgeschichte inszeniert. Im Sommer letzten Jahres waren wir -passend zu Corona- mit der „Pestärztin“ unterwegs, aber jetzt geht schon seit Monaten nichts mehr.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? Geschichte ist unsere Leidenschaft.  Sorgen macht mir, dass wir trotz des heute verfügbaren Wissens die gleichen Fehler immer wiederholen und nicht aus der Geschichte lernen.

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Wir sind dankbar für unserer Fans, die uns mit Gutscheinkäufen und Zuspruch unterstützen. Wir haben viele tolle Ideen. Unsere Gäste können sich auf große Inszenierung im öffentlichen Raum freuen – sobald diese wieder möglich sind.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Der Blick in die Geschichte zeigt uns, auch diese Krise wird vorüber gehen. Wir bleiben kreativ und zuversichtlich. Keine Sorge! We´ll be back – Die Straße gehört uns.


Aline

Visagistin/Musikerin

 Steckbrief

Name: Aline Manyas

Beruf/Unternehmung: Visagistin

Alter: 42

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? Beim ersten Lockdown war ich drei Monate Spargelstechen. Für den Obsthof Sehringer in Mengen, eine Freundin von mir Jessica bewirtet den Hof und ich habe meine Hilfe angeboten. Nach dem ersten Lockdown ging das Leben wieder relativ normal weiter ich hatte viele kleine Hochzeiten und schöne Fotoshootings. Meinen Mann hat es bis jetzt wie viele andere in der Eventbranche viel härter getroffen.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? Ich bin kein ängstlicher Typ in keinerlei Hinsicht, außer was die Menschen betrifft, wie man miteinander umgeht, dass jeder nur vor seiner eigenen Haustür kehrt der Zusammenhalt und das Miteinander fehlt und das Vertrauen und der Respekt dem anderen gegenüber.

Was hilft dir, gibt dir Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Ich bin sehr froh über den Rückhalt meiner Familie und meiner Freunde und jeder der denkt man kann es allein schaffen, liegt falsch.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Mit viel Zuversicht und Hoffnung für einen schöneren Umgang miteinander.


Lena

Schauspielerin

Steckbrief

Name: Lena Drieschner

Beruf/Unternehmung: Schauspielerin

Alter: 37

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? Mir sind Gastengagements weggebrochen und damit die für mich überlebenswichtigen Einnahmen von Abendgagen, die wegfielen. Alleinerziehend im Lockdown, Homeschooling und Aqvise und Sofortanträge zu stellen hat mich neben all der Angst wie es weitergeht wahnsinnig angestrengt und belastet, die Angst die Miete nicht mehr bezahlen zu können.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? Ich habe bezüglich meines Berufs Angst, dass diese Pandemie noch lange auf Kosten der Kultur ausgetragen wird. Das Infektionsgeschehen findet nicht vor allem in Theatern statt. Kultur hat nur eine Lobby, wenn die Lobby Geld „eh“ übrig hat, jetzt in der Krise ist die umso größere Bedeutung von Kultur politisch nicht mehr thematisiert. Manchmal habe ich das Gefühl, Kunst wird derzeit so klein gemacht, als seien Künstler eine kleine Minderheit der man gönnerhaft irgendwann mal irgendeine Soforthilfe zukommen lässt. Das darf nicht sein. Kultur ist systemrelevant, nicht ersten Grades wie KrankenpflegerInnen und ÄrztInnen, das will ich nicht vergleichen, aber geistig absdolut systemrelevant und die Diskussionsfreude, das Erleben eines Geistes der Gesellschaft wird unsere Gesellschaft für die Zukunft kreiieren. Also bloß nicht den Geist verkümmern lassen.

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Mein Sohn. Meine Familie. Meine Freunde. Mein Hund. Die reduzierten Begegnungen haben dafür ganz intensive Begegnungen geschaffen. Mein Umfeld trägt mich darin, weiter zu denken, kreativ frei zu sein, Konzepte und Ideen zu entwickeln.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Mit Sorge um uns alle vor allem was unsere soziale Gesundheit angeht. Mit Freude ab Mitte Mai wieder im Theater proben zu können. Mit Furcht vor einem weiteren Berufsverbot.


Isabelle

Kermikkünstlerin

Steckbrief

Name:
Isabelle Bapté

Beruf/Unternehmung: Keramikkünstlerin/ Terra.Belle.Keramik /freethenipples

Alter: 28

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? Davor habe ich in der Keramikwerkstatt in der Fabrik die Offene Werkstatt mit betreut. Dort kamen bis März 2020 Menschen, ohne Anmeldung zum freien Töpfern. Auch Wochenends habe ich sehr regelmäßig Töpfer-Kindergeburtstage angeboten. Nun haben wir die Töpferboxen „To Go“ entwickelt. Wir haben verschiedene Modelle entworfen mit Anleitungsvideo. Die Boxen werden bei uns Kontaktlos abgeholt, und die fertigen Ergebnisse wieder zurückgebracht, wir brennen und glasieren sie dann. Auf unserer Webseite findet man die aktuellen Angebote (fabrik-keramik.de) Meine eigenen Keramikwerke verkaufe ich nun hauptsächlich online (isabellebabte.com) Das Organisieren, Verpacken und Verwalten ist mit viel Zeitaufwand verbunden.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? Ich mache mir Sorgen, dass der zwischenmenschliche Kontakt kälter und distanzierter wird. Ich mache mir Sorgen um die Vereinsamung, psychische Probleme und Hoffnungslosigkeit vielerlei Menschen.

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Meine Freunde, Familie und die Menschen mit denen ich in der Pandemie zu tun habe. Die Offenheit und Ehrlichkeit im miteinander.


Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Ich schaue positiv in die Zukunft. Zusammen können wir so viel erschaffen und uns mit guter Energie beschenken. Ich hoffe, dass Menschen die Hilfe benötigen, zeigen können dass sie Unterstützung brauchen. So können wir uns gegenseitig unter die Arme greifen. Jeder Mensch hat besondere, einzigartige Fähigkeiten und diese können bei manchen Menschen in Krisenzeiten entdeckt werden.


Dominique

Floristin

Steckbrief

Name: Dominique Brübach 

Beruf/Unternehmung: Die Blumenbinderin und ihre NaturWerkstatt 

Alter: 59 Jahre

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? 2020 konnte ich das zehnjährige Bestehen meines Blumenladens feiern. Zeitgleich konnte ich damit beginnen, ein neues, bereits seit Längerem angedachtes Geschäftsmodell zu verwirklichen: die Leitung von Workshops zu ausgesuchten floristischen Themen in meiner NaturWerkstatt. Das Angebot, Blumen zu jedem Anlass vorzubestellen, blieb aber bis heute weiterhin bestehen. Da es im März 2020 zum allgemeinen Stillstand kam, musste ich alle geplanten Kurse absagen. Das Gleiche galt für die geplanten Hochzeiten. Erhebliche finanzielle Engpässe waren die Folge. Meine Tochter Aline, ihr Mann und ich erarbeiteten einen YouTube-Blog für Interessierte zum Mitmachen. Die weit über 30 Workshops trugen dazu bei, mir mein Selbstbewusstsein zu erhalten, aber auch vielen eine Freude zu bereiten, wie es die große Resonanz zeigte – nach dem Motto: Wenn es mir gut geht, kann ich dies auch weitergeben. Das Jahr 2020 widmete ich auch verstärkt meinen beiden Enkelkindern. Ich wollte, dass sie auch in der Krise möglichst viel Normalität erleben. Im Herbst 2020 habe ich einer begabten jungen Keramikerin mit äußerst originellen Werkstücken angeboten, unentgeltlich einen Raum meiner NaturWerkstatt als Atelier zu nutzen. Es war die richtige Entscheidung: Sie brachte frisches Flair in den Laden, unser beider Ideenaustausch ist sehr fruchtbar. Ein anderer Ladenraum dient seit zehn Jahren als Hochzeitsraum, den meine Tochter Aline mitbenutzt. Zurzeit helfe ich einer Freundin, indem ich deren betagte Mutter betreue. Dass Gesundheits- und Krankenpflege mein zweiter Beruf war, kommt mir da sehr zugute. Es macht mir gerade einen freien Kopf und nimmt mir auch den Druck, unbedingt neue Ideen zum Erhalt meiner NaturWerkstatt zu finden. Doch ich verliere mein neues Projekt, floristische Workshops zu geben, nicht aus den Augen, da ich weiß, dass es viele Menschen dazu drängt, sich kreativ zu betäten. Mein Ziel ist es, mein Vorhaben verstärkt in der Öffentlichkeit zu präsentieren. 


Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? Angst habe ich keine. Ich habe eine wunderbare Familie und wundervolle Freunde, die mich stärken. Sorgen machen mir die Kinder und jungen Menschen. Ich wünsche mir, dass sie in diesen schwierigen Zeiten, möglichst viel Unterstützung erfahren und ihr natürliches Bedürfnis nach Freiheit nicht allzu sehr leidet.  

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Die Natur. Sie zeigt mir, dass es immer weitergeht. 

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Ich denke, man wird neue Wege gehen müssen. Toleranz, Respekt und Akzeptanz sollte man dabei jedoch nicht aus den Augen verlieren.


HistoriX

Stadtführer/ Historiker

Steckbrief

Name: Hartmut Stiller

Beruf/Unternehmung: Dramaturg, Regisseur, Darsteller/Tour-Guide, Historiker, Mit-Inhaber von Historix-Tours (Historische Führungen, Schauspiel-Touren und Ghost-Walks), Moderator

Alter: 53

Wie hat die Pandemie und der Lockdown dein (Berufs-) Leben verändert? Seit vielen Monaten bin ich und sind wir ohne Einnahmen, da wir im Lockdown nicht führen dürfen. Wobei wir auch in dieser Zeit versuchen, präsent zu bleiben: wir haben z.B. zunächst täglich kostenlose „Virtuelle Stadtführungen“ angeboten, später dann wöchentliche Live-Online-Touren. Auch versuchen wir immer wieder, corona-gerechte Aktionen zu starten. Zum Beispiel entwarf meine Kollegin Nicola Aly zunächst ein kostenloses Corona-Stadtspiel, später eine weitere Schnitzeljagd durch Freiburg, die ebenfalls ohne Kontakt zu Anderen stattfinden kann. Diese Projekte bringen zwar kaum Einnahmen, aber sie geben uns und hoffentlich auch anderen Kraft. Auf jeden Fall ist diese Zeit eine extreme Entschleunigung, da einfach wenig geht – normalerweise jagt bei mit ein Projekt das andere. Die Entschleunigung bedeutet aber leider nicht, dass sie erholsam ist, weil die Sorge und auch die Unsicherheit ständig alles beherrscht. Unsicherheit und Angst sind oft belastender als Stress und viel Arbeit.

Wovor hast du Angst, was macht dir Sorgen? In erster Linie sorge ich mich um die Gesundheit von Freund/innen und Bekannten, aber auch der finanzielle Druck nimmt immer mehr zu – nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen Menschen in meinem Umfeld. Als Single und alleine lebender Mensch vermisse ich auch die Gesellschaft, das Gesellige, viele Freunde und Bekannte – normalerweise bin ich stets mit vielen Menschen unterwegs. Mein Netzwerk ist mir sehr wichtig. Aber ich sorge mich auch sehr um unsere Gesellschaft ansich, da gerade in der Krise auch viele Mit-Bürger/innen sehr demokratiefeindliche Töne anstimmen. Ich hoffe, dass man diese Spaltung wieder überwinden kann.

Was hilft dir, gibt dir, Kraft/Halt in der aktuellen Situation? Tatsächlich helfen mir einige ausgesuchte Kontakte mit Freund/innen, die ich auch in der Krise pflege. Ich habe auch in dieser Zeit besonders bewegende Hilfeleistungen erfahren, die mich sehr berührt haben. Manche Verbindungen sind gerade in der Zeit des Abstands auch stärker geworden. Kraft gibt mir auch, weiterhin neue Projekte zu entwickeln. So blieb mir zum Beispiel meine ehrenamtliche Arbeit beim Radio, wo ich viele interessante Projekte (z.B. Radio-Features) vorantreiben konnte, für die ich ansonsten wenig Zeit gehabt hätte. Und auch unsere kostenlosen virtuellen Stadtführungen und Online-Touren zwangen mich immer wieder wohltuend, mich mit neuen Themen zu beschäftigen. Diese Aufgaben hielten mich mental deutlich über Wasser. Aber auch bei Historix-Tours haben wir viele neue Ideen gesammelt und zum Teil auch in der Krise vorangetrieben. Wichtig ist mit stets – auch in der Krise -, dass es neue Perspektiven und Ideen gibt.

Wie schaust du in die (nahe) Zukunft? Ich fürchte, dass wir noch einige Wochen nicht führen dürfen. Auch lohnen sich unsere Touren erst, wenn auch die Gastronomie und mindestens der Tagestourismus wieder startet. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Lage sich in den nächsten Monaten deutlich verbessert und hoffen, dass es dann nach und nach wieder weiter geht. Es mag langfristig sich zwar manches, aber sicher nicht alles verändern. Langfristig bin ich da optimistisch – aber zu diesem Punkt müssen wir leider erst noch kommen.